Chained Echoes ist in aller Munde und hat sich kurz nach Release schon in die Herzen der Kritiker und Rollenspielfans gezaubert. Ein Faktor, der sicherlich auch zum Erfolg beigetragen hat, war die Unterstützung des Spiels durch die Film- und Medienstiftung NRW. Till Hardy, seines Zeichens Leitung Standortentwicklung/New Media und André Weiß, Referent New Media, haben sich dankenswerterweise die Zeit genommen und ein paar Fragen rund um Chained Echoes und der Arbeit der Film- und Medienstiftung im Allgemeinen beantwortet. An dieser Stelle noch einmal einen ganz großen Dank für die Bereitschaft!
Die Film- und Medienstiftung beschreibt Chained Echoes so:
„Chained Echoes“ ist ein klassisches RPG im SNES-Stil, das all die lustigen Dinge aus dieser Ära wieder aufgreift und sie gleichzeitig neu erfindet und weiterentwickelt. Begleite eine Gruppe von Held:innen auf ihrer Reise durch das vom Krieg gezeichnete Land Valandis. Kämpfe gegen Horden von Feinden in einem rundenbasierten Kampfsystem. Es gibt keine zufälligen Kämpfe und keine separate Kampfarena. Eine ganze Weltkarte wartet darauf, von den Spieler:innen erkundet zu werden. „Chained Echoes“ ist ein buntes Abenteuer voller Überraschungen, lustiger Charaktere und einer fesselnden Geschichte.
pixel-pott.de: Nach welchen Kriterien wählt die Stiftung Spiele aus, die sie unterstützt?
Till Hardy: Ausgewählt werden die Projekte von einem Gremium, das mit Fachleuten aus der Branche besetzt ist. Grundvoraussetzung sind formale Kriterien. Wir müssen prüfen, ob ein Projekt oder ein Studio überhaupt förderfähig sind. Dazu gehört zum Beispiel, ob es sich um ein NRW-Studio handelt, ob die wesentlichen Arbeiten hier durchgeführt werden und so weiter. Dann schaut sich das Gremium alle Projekte einzeln an: Ob es ein, in ihren Augen, gutes Projekt ist, also ob die Mischung aus Idee, Umsetzungsplan und Kompetenzen des Teams stimmt, ob die Zielgruppe passt, etc. Wir haben keinen Zwang ein bestimmtes Portfolio abdecken zu müssen, sondern können wirklich alle Projekte unabhängig voneinander betrachten.
pixel-pott.de: Wie viele Anfragen zur Förderung gehen jährlich bei euch ein und wie viele schaffen es dann tatsächlich, von euch unterstützt zu werden?
Till Hardy: Das ist von Sitzung zu Sitzung unterschiedlich. In den vergangenen Jahren waren wir mit einem jährlichen Budget von 3 Mio. Euro ausgestattet, für 2023 sind es sogar 3,5 Mio. Euro. Dank dieser Ausstattung war es aber bislang immer möglich, die Projekte, die unterstützt werden sollten, auch zu unterstützen. 2022 haben wir bspw. etwa 40 Förderzusagen verschickt.
pixel-pott.de: Wie ist man auf Chained Echoes aufmerksam geworden bzw. wieso wählte man gerade dieses Spiel für eine Förderung aus?
Andre Weiß: Wir kannten das Projekt natürlich und waren auch seit längerem mit dem Entwickler Matthias Linda in Kontakt. Letztendlich müssen die Entwickler:innen aber einen Antrag bei uns stellen. Wir gehen nicht aktiv auf die Projekte zu, wie es vielleicht ein Publisher tut, der ein gutes Projekt gefunden hat.
pixel-pott.de: 7 Jahre Entwicklung sind eine lange Zeit. Hattet ihr zwischendurch die Befürchtung, dass das Projekt gescheitert ist und nicht weitergeführt wird?
Till Hardy: Grundsätzlich ist es so: Wir fördern sowohl die Entwicklung von Konzepten und Prototypen, beide Phasen mit einem Zuschuss, als auch die Produktionsphase, diese mit einem bedingt rückzahlbaren Darlehen. Das heißt, vereinfacht dargestellt, dass die Entwickler:innen im Erfolgsfall aus ihrem Erlös unser Darlehen zurückzahlen. Falls das Projekt allerdings nicht erfolgreich ist, muss nicht zurückgezahlt werden.
André Weiß: Matthias hatte mit „Chained Echoes“ ja bereits eine erfolgreiche Kickstarter-Kampagne und kam dann mit der Einreichung für eine Produktionsförderung zu uns. Er hatte also zu diesem Zeitpunkt schon eine Menge bewiesen und konnte einen Prototypen und eine Community vorweisen. Es ging also „nur noch“ darum, die Finanzierung zur Fertigstellung zu sichern. Die Jahre davor waren für unsere Betrachtung also eher dahingehend relevant, dass Matthias gezeigt hat, dass er an das Projekt glaubt und in der Lage ist, es zu Ende zu bringen.
pixel-pott.de: Chained Echoes ist dabei, Unmengen an Lob von Seiten der Kritiker einzuheimsen. Bestätigt euch das in eurer Arbeit und öffnet weitere Türen für die Zukunft, was die Unterstützung kommender Titel angeht?
André Weiß: Uns freut es natürlich, wenn ein Spiel erfolgreich ist, sich gut verkauft und es sich für ein Studio auch kommerziell lohnt. Genauso toll ist es, wenn die Kritiken gut sind oder Preise gewonnen werden.
Till Hardy: Unsere Fördergelder kommen vom Land NRW. Die Landesregierung NRW hat sich seit vielen Jahren zum Gamesstandort NRW bekannt und das Ziel formuliert, diesen weiter zu stärken. Erfolge helfen natürlich uns und auch der Landesregierung z.B. im Landtag zu erklären, warum man Videospiele fördert und weiter fördern sollte. Aber ein Türöffner ist da eigentlich nicht von Nöten, da die Tür der Landesregierung und bei uns für die Gamesbranche bereits seit geraumer Zeit weit geöffnet ist und die Branche von dort eine Menge Support bekommt.
pixel-pott.de: Haben es Spiele mit einem erhöhten Gewaltgrad und einer Freigabe „Ab 18“ schwieriger, von euch gefördert zu werden? Spielt die potentielle Zielgruppe eine Rolle bei der Auswahl?
André Weiß: Unsere Leitlinie hat eine Präambel, die besagt, dass nur Projekte gefördert werden können, die die Grundrechte respektieren und die Achtung vor dem Leben fördern. Die Organe der Film- und Medienstiftung sind insbesondere verpflichtet, keine Vorhaben zu fördern, deren Inhalte Krieg sowie physische und psychische Gewalt verherrlichen, zum Rassenhass aufstacheln, pornographisch sind oder Kinder und Jugendliche sittlich gefährden. Das Gremium muss sich also bei allen Spielen anschauen, worum es da eigentlich geht. Gewalt kann schon gezeigt werden, nur nicht verherrlichend. Die Zielgruppe an sich spielt für die Auswahl weniger eine Rolle, nur, dass sie auch zum Projekt passen und überhaupt existieren sollte. Ob es aber ein Spiel für Kinder im Grundschulalter oder ein Spiel für Midcore-Gamerinnen über 50 ist, ist nicht entscheidend.
pixel-pott.de: Muss man selber Gamer sein, um bei euch anfangen zu können? Besteht das Team selbst aus leidenschaftlichen Zockern oder sieht man die Projekte mehr aus geschäftlicher Perspektive?
Till Hardy: Geschäftliche Perspektive ist hier nicht ganz richtig. Wir vergeben ja Zuschüsse bzw. bedingt rückzahlbare Darlehen, bekommen also maximal unseren Einsatz zurück. Bei uns geht es in der Förderung ja darum, die Entwickler:innen aus NRW zu unterstützen und zu stärken. Videospiele sind ja ökonomisch betrachtet ein sogenanntes Erfahrungsgut, das heißt, dass man erst im Nachhinein weiß, wie gut es ist, also erst, wenn man es gespielt hat. Das macht das Risiko in der Entwicklung natürlich umso größer. Erst, wenn es fertig und „am Markt“ ist, weiß man, ob es nicht nur funktioniert, sondern auch ankommt. Daher ist eine Förderung auch sinnvoll und notwendig, um die Risiken etwas abzufedern und die Entwickler:innen überhaupt erst in die Lage zu versetzen innovative, kreative Ideen umzusetzen und nicht nur Mainstream herzustellen.
André Weiß: Aber davon abgesehen, hilft es schon, wenn man gerne selbst daddelt – aber man muss auch eine Ahnung von den Herstellungsprozessen und Bedürfnissen der Branche an sich haben.
pixel-pott.de: Habt ihr im Nachhinein eine Entscheidung zur Förderung eines Spiels bereut?
Till Hardy: Nein! Es haben sich natürlich nicht alle Projekte so entwickelt, wie man sich das erhofft hatte, aber das geht auch in beide Richtungen. Einige waren viel erfolgreicher als gedacht, andere weniger, aber auch das hat nicht dazu geführt, dass wir bereut haben, ein Spiel zu fördern. Es ist nur schade für die Entwickler:innen, wenn z.B. das Spiel eigentlich gut war, aber dann der Erfolg ausblieb, weil unvorhersehbar zwei Monate vorher ein sehr ähnlicher Titel releast wurde und somit quasi den Markt geklaut hat.
pixel-pott.de: Wie sieht die Qualitätssicherung bei der Film- und Medienstiftung NRW im Bereich der Spiele aus? Werden die Spiele bei euch im Haus einmal durchgespielt oder verlasst ihr euch auf Bild- und Videomaterial der Entwickler?
André Weiß: Zum inhaltlichen Abschluss eines Projekts bekommen wir sowohl Bild- als auch Videomaterial, bei den Prototypen und in der Produktionsförderung auch immer einen spielbaren Build und oft auch Zwischenversionen. Und da freuen wir uns natürlich immer ganz besonders, wenn wir selber in eine neu geschaffene Spielwelt abtauchen und diese entdecken können. Also ja, wir spielen die Spiele auch durch. Auch wenn die Abnahme an sich vielleicht bereits per Videomaterial erfolgen konnte. Aber wozu hat man denn den Feierabend?
pixel-pott.de: Und zum Abschluss: was sind eure Lieblingsspiele und warum?
Till Hardy: Natürlich „Chained Echoes“! Sonst fallen mir von den aktuellen geförderten Projekten insbesondere „Hell Pie“ und „White Shadows“ ein sowie „We Stay Behind“. Das kommt demnächst erst raus, wir durften aber schon Probespielen! Insgesamt kommen in die ewigen Top10 aber sicher auch einige Klassiker, wie die „Lucasarts Adventures“, die GTA-Reihe, aber auch einige VR-Titel wie „Superhot VR“.