Getestet wurde die Playstation 5 Version – Review Code von KOEI Tecmo
Den Erfolg von FromSoftwares Souls-Reihe sollte mittlerweile jeder mitbekommen haben, der sich auch nur ansatzweise für Videospiele interessiert. Aus den damaligen Geheimtipps ist mit Soulslike-Spielen ein eigenes Genre entstanden, das zahlreiche Alternativen zum Original hervorgebracht hat. Eine davon ist Wo Long: Fallen Dynasty, entwickelt von Team Ninja und KOEI Tecmo, das im März 2023 erschienen ist. Nicht ganz ein Jahr später beglückt uns KOEI mit einer Complete Edition, die neben dem Hauptspiel und den erschienenen DLCs auch noch neue Gegenstände erhält. Für wen sich der Kauf lohnt? Finden wir es heraus!
Ein großes Abenteuer – mit nebensächlicher Story…
Nach Spielstart werdet ihr erst einmal in einen sehr umfangreichen Editor geworfen, in dem ihr euren Hauptcharakter erstellen könnt. Mit eurer kreierten Heldin oder eurem kreierten Held macht ihr euch dann auf den Weg, die gelben Turbane, die mit Unterstützung von allerlei Dämonen über eure Heimat hergefallen sind, den Garaus zu machen. Ihr trefft bei eurer Reise dabei auf viele helfende und nicht so helfende Hände, bekommt tolle Cutscenes zu Gesicht und reist an die unterschiedlichsten Orte, die allesamt toll gestaltet sind. Der Haken an der Sache: die Story mag, oder besser, muss dabei nicht so zünden. Wie gesagt, es ist alles spannend inszeniert und kann bestimmt auch begeistern, mich hat es nicht so gepackt. Das liegt einerseits am Setting, denn mit China zu Zeiten der drei Reiche habe ich relativ wenig Berührungspunkte, es braucht also etwas, bis ich mit dem Thema warm werde. Dazu kommt dann aber für mich der zweite Punkt: es ist ein Soulslike! Ich war und bin schon kein Fan der Geschichten bei Dark Souls und Co., für mich geht’s bei diesem Genre hauptsächlich um immer besseres Loot und immer besseren Skill. Warum ich mich durch Horden von fiesen Gegnern schnetzeln muss, ist mir im Endeffekt egal. Ich will einfach nur immer stärkere Ausrüstung, um stärkere Monster legen zu können. Falls ihr euch für eine relativ spannend erzählte Geschichte im alten China begeistern könnt und euch diese auch wichtig ist, dann sollte Wo Long eure Gelüste befriedigen.
…und dafür umso besserem Gameplay!
Wie man es von Team Ninja gewohnt ist, kann das Gameplay an allen Ecken und Enden überzeugen und stellt klar das Highlight von Wo Long dar. Im Gegensatz zu den Souls-Spielen ist Wo Long zwei Stufen schneller und etabliert (teils) neue Spielmechaniken, die frischen Wind in das Genre bringen. Da haben wir das Moralsystem, das die Stärkenverhältnisse von Spieler zu Gegner anzeigt. Es handelt sich dabei nicht um das simple Gegnerlevel, sondern ist ein System, das dynamisch die Moralpunkte sinken oder steigen lässt. Werdet ihr beispielsweise von einem Widersacher niedergestreckt, so sinkt euer Morallevel, die nächsten Aufeinandertreffen werden also schwieriger. Wenn ihr euch jedoch erfolgreich durch die Gegnerhorden metzelt und Flaggen, die überall in den Arealen platziert sind, einnehmt, steigt eure Moral und ihr könnt es mit immer stärkeren Klingenfutter aufnehmen. So gibt es natürlich frustrierende Momente, wenn die hart erkämpften Moralpunkte futsch sind, andererseits ist es sehr befriedigend, wenn man sieht wie der Zähler hochgeht und vormals harte Gegnerbrocken plötzlich gar nicht mehr so schwierig zu besiegen sind.
Eine Ausdaueranzeige werdet ihr nicht finden, stattdessen habt ihr einen Haltungsbalken, der bei jedem Block zunimmt. Ist euer Balken voll, so seid ihr ohne Schutz angreifbar und nehmt dadurch erheblich mehr Schaden. Diese Haltungsmechanik betrifft aber auch eure Widersacher. Pariert ihr Angriffe perfekt oder drescht ununterbrochen auf die Deckung des Kontrahenten ein (einen Ausdauerbalken gibt es nämlich nicht), so bricht auch irgendwann seine Haltung und ihr könnt zu cool inszenierten Finishern ansetzen, solange das die Lebenspunkte des Gegners hergeben. Generell werden die Kämpfe hier offensiver als in vergleichbaren Titeln geführt, weil es keine sich leerende Ausdaueranzeige, sondern nur eine sich füllende Haltungsanzeige gibt. Und da die Gegner auch davon betroffen sind, werden Angriffe eher belohnt.
Und auch wenn ich den Begriff Soulslike in diesem Test schon benutzt habe: wie auch schon Nioh, ebenfalls von Team Ninja, bedient sich Wo Long zwar an Mechaniken der From Software Erzeugnisse, ist aber gleichzeitig auch anders genug, um frischen Wind einzubringen. Zwei Dinge stechen für mich dabei heraus: das wäre zum einen das Loot. Waffen und Rüstungen werden hier viel öfter gedroppt als bei Dark Souls oder Elden Ring und erinnert eher an Diablo oder andere Action-RPGs/Hack’n’Slays. Ihr werdet hier mit neuen Items zugeschmissen und könnt gefühlt nach jedem Gegner erst einmal prüfen, ob ihr vielleicht ein besseres Schwert erhalten habt. Für mich, als jemand, der Spiele dieser Art selten wegen der Story spielt, ist das ein großer Pluspunkt, da die Jagd nach Loot sehr verlockend sein kann. Was man dabei aber auch direkt kritisieren kann, ist die schiere Menge an doppelten Items. Manchmal ist der Rucksack mit zig identischen Waffen und Rüstungsteilen gefüllt, da heißt es dann erst einmal aussortieren.
Was sich ebenfalls zu Souls-Titeln unterscheidet: es gibt Missionen in Wo Long, die über eine Karte aufgerufen werden. Ihr spielt also nicht in einer großen, zusammenhängenden Welt, sondern schlagt euch in kleineren Arealen zum Boss durch und wählt nach eurem Erfolg das nächste Level aus. So wie auch das Kampfsystem beschleunigt auch diese Designentscheidung das Spielerlebnis, da ihr nicht wirklich viel erkunden müsst – klar gibt es immer mal wieder Abkürzungen und Verstecke zu finden, aber nicht in dem Ausmaß wie es bei zusammenhängenden „Open Worlds“ der Fall ist – und trotzdem ziemlich schnell Erfolgserlebnisse in Form von gelegten Bossen und neuen Items erfahrt.
Neben dem klassischen Schwertkampf könnt ihr in Wo Long auch Magie zu eurem Vorteil nutzen. Feuerbälle, Eisprojektile oder Windstöße könnt ihr aufleveln und auch immer wieder neue, mächtigere Zauber erlernen. Dabei gilt zu beachten, dass bspw. Feuer gegen Eisgegner gut funktioniert, bei Monstern, die hingegen mit Wasser hantieren, kaum Wirkung zeigt. So solltet ihr euch nicht auf ein Element verlassen und alle Kräfte relativ gleichmäßig ausbauen, da es sonst gerade bei Bossen zu Nachteilen kommen kann, denn auch diese reagieren und nutzen Elementarkräfte. Mir hat gefallen, dass die Zauberei ein elementarer Bestandteil des Spiels ist und man sich nicht bspw. für eine Zaubererklasse entscheiden muss, um überhaupt Magie wirken zu können.
Was man auf jeden Fall erwähnen sollte, ist der Schwierigkeitsgrad. Wo Long ist knackig, an manchen Stellen fast schon zu knackig. Das betrifft vor allem den ersten Boss, der als eine Art Türsteher funktioniert: wenn du an ihm vorbei kommst, dann hast du dir den Rest des Spiels auch verdient. Das ist einerseits eine nette Idee, um die gelernten Skills abgefragt zu bekommen, andererseits ist er halt schon wirklich eine ziemlich harte Nuss und, was ich daran noch etwas seltsamer fand, ist die Tatsache, dass das Spiel danach wieder einfacher wird. Klar, es gibt immer noch Endgegner, die euch alles abverlangen, aber ich hatte beim Spielen das Gefühl, dass dieser erste Boss eine Schwierigkeitsgradspitze darstellt und es danach erst einmal wieder gemächlicher zugeht. Das kann ziemlich frustrierend werden und man sollte sich vor dem Kauf im Klaren sein, dass Wo Long trotz eines ziemlich einsteigerfreundlichen Kampfsystems immer noch schwer ist und für Ärger sorgen kann.
Was lange währt, wird endlich gut?
Meine ersten Wo Long Erfahrungen habe ich mit der hier getesteten Complete Edition gemacht und kann sagen, dass das Spiel technisch rund läuft (getestet auf der Playstation 5) und ich weder Framerate-Einbrüche noch Abstürze oder andere Bugs zu verzeichnen hatte. Das ursprüngliche Spiel soll bei Release ja ziemlich kaputt gewesen sein und für Ärger auf technischer Seite gesorgt haben, davon habe ich bei dieser Edition aber nichts gespürt.
Der asiatisch-rockige Soundtrack untermalt das blutige und effektvolle Gemetzel erfolgreich und sorgt für eine treibende, in ruhigen Momenten aber auch atmosphärische Stimmung. Das Spiel sieht sehr schön aus und überzeugt durch verschiedene Settings, so seid ihr in dicht bewachsenen Gegenden unterwegs, müsst euch aber auch mal durch eisige Tundragebiete bewegen.
Wenn ich was an der Technik zu kritisieren habe, dann betrifft das weder Sound noch Grafik, sondern eher die KI. Besonders bei versuchten Schleichangriffen kam es öfter mal vor, dass Gegner mich gesehen bzw. „gefühlt“ haben, ohne direkt in deren Sichtfeld zu laufen oder anderweitig auf mich aufmerksam zu machen. Manchmal schien es so, als hätten meine Feinde einen siebten Sinn, der es mir unmöglich macht, im Geheimen anzugreifen. Manchmal kam es auch zu Wegfindungsschwierigkeiten, so dass Gegner in Bäumen oder an Häuserwänden festhingen. Generell kann ich aber sagen, dass Wo Long bis auf einige Ausnahmen aus technischer Sicht sehr rund lief.
Falls ihr Fans von Nioh und Nioh 2 seid, Soulslike-Spiele mögt und/oder Action-RPGs mit unfassbar viel Loot zu euren Favoriten zählt, dann sollte auch Wo Long: Definitve Edition eure Gelüste befriedigen. Ein schnelles und offensives Kampfsystem, das sich durch eigene Ideen wie das Moralsystem von der Konkurrenz abhebt, toll designte Welten und ein hübsches und wohlklingendes Gerüst können die etwas schwache Story, dem schwankenden Schwierigkeitsgrad und der manchmal suboptimal agierenden Gegner-KI mehr als ausgleichen und liefern eine knapp dreißigstündige Reise durch das von Krieg und Dämonen gebeutelte China.