Es ist fast wie eine Zeitreise in Videospiel-Form. Auch der dritte Teil der Bravely Default Reihe, verwirrenderweise Bravely Default 2 genannt, bringt einen zurück in die Zeit von Final Fantasy 6 und ähnlichen Genre-Größen der 90er Jahre. Doch erreicht der neue Titel von Square Enix auch das Niveau oder wirkt es doch nur wie ein alter Aufguss eines klassischen JRPGs?
Alte Welt, Neue Länder
Zuerst einmal zur Beruhigung: Es gibt keinen Grund den alten Nintendo DS aus dem Regal zu holen, um die Vorgänger Bravely Default und Bravely Second zu spielen. Das Spiel spielt zwar in derselben Welt wie die Vorgänger, aber auf einem anderen Kontinent. Begriffe wie Heilgegenstände oder Zauber sind die gleichen und es wird das ein oder andere Mal etwas aus den alten Spielen zitiert, man kann aber ruhig mit Bravely Default 2 einsteigen, ohne das Gefühl zu haben etwas nicht zu verstehen.
Die Geschichte liest sich für den ein oder anderen dann vielleicht trotzdem bekannt: Protagonist Seth strandet nach einem Schiffsunglück auf dem Kontinent Excillant, wo er von netten Helfern gerettet und wieder auf die Beine gebracht wird. Wie sich herausstellt läuft die Welt etwas aus dem Ruder, da in den verschiedenen Königreichen die Naturelemente verrücktspielen. Grund dafür sind die 4 Elementkristalle, die nicht mehr an ihrem für sie bestimmten Ort sind. Und so macht sich die Gruppe auf den Weg dies wieder zu ändern und die Welt vor dem Bösen zu retten.
Ja, das klingt als hätte man die klassischen Klischees alter japanischen Rollenspiele in einen Zufallsgenerator gepackt und das wäre dabei herausgekommen. Doch auch wenn die Story an sich nicht spektakulär ist, gibt es doch den ein oder anderen starken Moment. Bravely Default 2 traut sich durchaus an Themen heran, die unangenehm sind: Mord, Entführungen, Hinrichtungen und ähnliches begegnet den Helden immer wieder auf ihrer Reise und nicht jede der kleinen Geschichten endet mit einem Happy End. Hier schafft es das Spiel positiv zu überraschen. Das hätte aber gerne öfter passieren können, denn zwischendurch plätschert das ganze doch vor sich hin. Die Charaktere wachsen einem während der Reise schon ans Herz, vor allem in den Visual Novel-ähnlich inszenierten Charaktergesprächen, die man immer wieder auf der Weltkarte auslösen kann. Doch leider verstrickt man sich letztendlich immer wieder in den selben Klischees, weswegen die Geschichte einfach nicht die große Stärke des Titels bleibt. Großes Lob trotzdem an die englische Vertonung, die den Figuren wirklich Leben einhaucht.

Mut wird belohnt
Kommen wir aber zu der absoluten Stärke von Bravely Default 2. Alles was die Geschichte an Innovation vermissen lässt findet sich im rundenbasierten Kampfsystem wieder. Neben Zaubern, Attacken und Items hat man während des Kampfes die Befehle „Brave“ und „Default“ zur Verfügung. Mit „Brave“ bekommt man die Möglichkeit mehrere Aktionen hintereinander auszuführen. Mit „Default“ spart man sich eine Aktion und geht in einen Verteidigungsmodus. Führt man „Brave“ aus, ohne vorher eine Runde „Default“ zu spielen geht man in ein Minus und setzt aus, bis das Konto wieder auf Null ist. Das Ganze geht bis zu 3-mal in beide Richtungen. Das allein gibt dem Spiel schon eine taktische Tiefe: Riskiere ich es den Gegner mit einer dreifachen Attacke zu besiegen oder spiele ich lieber auf sicher und fülle erst einmal mein Aktionskonto auf? Das würden andere Spiele vielleicht schon als ihr großes Alleinstellungsmerkmal sehen, doch hier fängt die Taktik erst einmal an.

Dazu gibt es nämlich noch 6 verschiedene Waffenklassen, die bei jedem Gegner unterschiedlich effektiv sind. Wie gut der Charakter mit diesen Waffen umgeht, kommt auf den Job an, der für ihn gewählt wurde. Je nach Job skalieren die Werte der Waffen nämlich unterschiedlich, weswegen es wichtig ist, immer wieder die Shops in den Städten nach den neusten Waffen abzusuchen. Wo wir schon beim Thema Jobs sind: Davon gibt es bei Bravely Default 2 einige. Nach jedem Boss Kampf bekommt man einen so genannten Asterisk, der es ermöglicht eine neue Klasse zu erlernen. Jeder Charakter kann einen Haupt- und einen Nebenjob erhalten, wobei nur der Hauptjob aufgelevelt wird. Bei jedem der 12 Level erhält man neue Fähigkeiten, die man dann wiederum behält, wenn man diese Klasse dann als Nebenjob auswählt. Puh, durchatmen. Das mag alles erst einmal kompliziert klingen, das Spiel schafft es aber sehr gut dem Spieler das Wissen zu vermitteln was er braucht. Und da man nur mit 2 Klassen startet und sehr langsam neue dazu kommen, verliert man auch nie die Übersicht. Da alle Charaktere die gleichen Basiswerte haben, die sich erst durch die Jobs verändern steht dem Spieler es frei sein Team zu gestalten, wie er möchte. Diese Individualität in der Gestaltung des Teams ist wirklich einmalig im Genre, vor allem in den letzten Jahren. Damit schafft das Spiel auch einen einmaligen Antrieb, denn man ist bei jeder Begegnung mit einem Boss schon gespannt was dies denn für ein Job ist und für wen aus der eigenen Party dies eine sinnvolle Ergänzung ist.
Es wird einem auch leicht gemacht die Jobs zu wechseln. Klar, erst einmal bedeutet das ein Verlust der Fähigkeiten und Grundwerte. Doch wenn man Gegner höheren Levels besiegt, bekommt man einen „Triumphbonus“, wodurch man die fehlenden Level schnell aufgeholt hat. Und da man sowieso viel Grinden muss gibt es da eigentlich nie ein Problem. Gerade die Boss-Kämpfe haben es nämlich in sich. Auf dem Schwierigkeitsgrad „Normal“ war es mir kaum möglich, einen Boss beim ersten Mal zu besiegen. Es brauchte immer mindestens einen Testversuch, um gewisse Schwächen und Muster des Gegners zu erkennen. Mal ist ausgerechnet die ausgerüstete Waffe schwach gegen den Boss, Mal hat man nicht die richtige Magierklasse für den passenden Elementschaden dabei. Da die Checkpoints aber immer direkt vor den Boss gesetzt werden verliert man zumindest keinen Fortschritt, was den Frust niedrig hält. Einzig die Länge der Kämpfe kann manchmal etwas den Spaß nehmen. Selbst wenn man den Dreh heraushat und vom Boss keine Gefahr mehr ausgeht, benötigt man einige Runden, da die Gegner viel zu viele HP haben. Da wäre weniger manchmal doch mehr gewesen.

Noch ein paar Worte zu Technik und Optik. Man merkt dem Spiel an, das die Serie ihren Ursprung auf den Handheld Konsolen hat. Grafisch ist es nicht weit von einem sehr gut aussehenden 3DS Spiel entfernt, die Charaktermodelle haben einen Free-2-Play Titel Charakter und die Animationen sind quasi kaum vorhanden. Außerdem wirkt die Spielwelt außerhalb der liebevoll designten Städte recht leer. Gerade Dungeons sind meistens einfach schlauchförmige Bereiche, die sich nie sonderlich voneinander unterscheiden. Da hilft es auch nicht dass es in den Dungeons keine Karte gibt und das Erkunden dadurch etwas müßig wird.
Im Dock-Modus der Switch wird das Ganze auch unscharf, was gerade in Bewegung auffällt. Es gibt einen Wüstenabschnitt, der dadurch beinahe unspielbar wirkt. Hier würde ich definitiv den Handheld-Modus empfehlen. Ansonsten läuft das Spiel aber sehr gut: Die Ladezeiten sind okay, es gibt keine Abstürze oder große Bugs. Einzig die Grafik wertet das ganze etwas ab.
Fazit
Bravely Default 2 ist ein gutes JRPG, aber ein durchschnittliches Videospiel. Die Systeme in den Kämpfen sind einmalig, ebenso die Kombinations-Möglichkeiten der Jobs. Trotzdem fallen einem immer mehr Kleinigkeiten auf, die einfach auszubessern gewesen wären. Das Beispiel mit den Dungeons und der fehlenden Map hatte ich ja bereits erwähnt. Dazu gibt es zwar eine Schnellreise von Stadt zu Stadt, aber diese setzt einen immer vor die Stadt und nicht darein. Das heißt man hat dann noch einmal eine unnötige Ladezeit beim Betreten der Stadt. Und von diesen Kleinigkeiten gibt es viele. Nimmt man dann noch den gewöhnungsbedürftigen Look der Charaktere, die leere Spielwelt, die Nebenquests die nie über einfachste Fetch-Quests hinaus gehen und die Klischee-Story dazu gibt es einfach zu viele Stellschrauben, die noch zu drehen wären um Bravely Default 2 für jeden Spieler zu empfehlen. So bleibt es eine Empfehlung für Fans des Genres, die sich nach einem spannenden Twist in rundenbasierten Kämpfen sehnen.