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Test: Judgment – Yakuza im Detektiv-Skin

von Pat

Mit Judgment haben die Ryu Ga Gotoku Studios und SEGA ein Spin-Off zur mittlerweile immer beliebter werdenden Yakuza-Serie veröffentlicht, das euch in die Rolle von Takayuki Yagami steckt, seines Zeichen ehemaliger erfolgreicher Anwalt und nun Privatdetektiv, der eine bizarre Mordserie aufzuklären hat. Doch kann das Spiel mit der Mutterserie mithalten und sogar neue Akzente setzen? Oder hätte SEGA uns den Ausflug in die Welt der Schnüffler ersparen sollen?

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Takayuki Yagami – genannt Tak – ist ein gebrochener Privatdetektiv, der mit seinem Partner und Ex-Yakuza Masaharu Kaito seiner Schnüfflertätigkeit in Kamurocho (einem fiktionalen Stadtteil in Tokio) nachgeht. Yagami war früher Anwalt, hat seine Robe aber an den Nagel gehangen, als sein Mandant Shinpei Okubo, den er vor einer Verurteilung wegen Mordes schützen konnte, scheinbar seine Freundin erstochen und danach die gemeinsame Wohnung in Brand gesetzt haben soll. Geprägt durch dieses Ereignis konnt Tak seiner Berufung als Anwalt nicht mehr nachgehen und hat sich so dem Detektivdasein verschrieben.

Anders als in Yakuza stehen wir diesmal auf der rechtschaffenen Seite.

In Kamurocho wird eine Leiche mit ausgestochenen Augen gefunden und ein Kaptain des Matsugane-Clans, Kyohei Hamura, wird für eben diesen Mord als Hauptverdächtiger ausgemacht. Durch eine besondere Verbindung zum Matsugane-Clan wird Yagami auf den Fall angesetzt und soll Hamura entlasten, zuerst nur als Privatermittler, später soll er aber auch noch einmal in die Rolle des Rechtsbeistandes schlüpfen. Doch dieser Mord ist nur der Anfang in einer langen Serie von ausgestochenen Augen und Intrigen, die weit über das Yakuza-Millieu hinaus gehen.

Ich möchte an dieser Stelle nicht zu viel über die Story verraten, da sie Yakuza-typisch zwar straight-forward beginnt, im Laufe der Zeit aber immer wieder Twists einbaut und so immer unvorhergesehener wird. Ein paar Aspekte waren sicherlich schon anhand der Inszenierung zu erwarten, insgesamt bietet Judgment aber eine sehr spannende Geschichte, die mit knapp 25 Stunden auch eine schöne Länge für so eine Art von Spiel bietet.

Als Yakuza Fanboy war es eine meiner größten Ängste, dass ich mich nicht mit den neuen Charakteren anfreunden könne und zwangsweise immer einen Vergleich zu Kiryu und Entourage ziehen werde. Doch was soll ich sagen? Die Pro- und Antagonisten sowie Nebenfiguren sind so gut geschrieben, dass mir Tak und Co. von Anfang ans Herz gewachsen sind und ich nicht einmal mit einem wehleidigen Auge (anders als die Opfer im Spiel) Richtung Yakuza geschielt habe. Natürlich gibt es auch hier wieder klischeehafte Charaktere wie zum Beispiel die unscheinbare Sekretärin, die es in besonderen Momenten faustdick hinter den Ohren hat oder dem korrupten Polizist, der sein Gehalt in zwielichtigen Bars mit der Herausgabe von Insiderinfos aufbessert, doch sind diese Leute so detailverliebt gezeichnet, dass man dem Spiel selbst diese Stereotypen abkauft.

Besonders Tak und Kaito als ungleiches und doch so passendes Paar werden mir lange im Gedächtnis bleiben, einfach weil die Chemie zwischen den Beiden so gut passt. Yagami, der ehemalige Anwalt, der analytisch denkt und jede Möglichkeit in Betracht zieht ein Problem zu lösen und im Gegensatz dazu Kaito, der mit Bauern- bzw. Straßenschläue und gerne auch mal Gewalt die Lösung sucht (und auch findet).

Da sich der Großteil der Geschichte um die Suche des augenausstechenden Mörders – dem sogenannten Maulwurf – dreht möchte ich auch nicht zu sehr auf alle Charaktere eingehen, um so die Spannung möglichst hoch zu halten, denn gerade diese Suche hat mir ungemein Spaß gemacht.

Yakuza mit neuem Skin

Gameplaytechnisch ist Judgment bis auf ein paar wenige Ausnahmen ein 1:1 Yakuza-Spiel. Im Grunde bedeutet das folgendes: ihr bekommt eine Quest, lauft durch Kamurocho Richtung Auftrag, werdet dabei immer mal wieder in zufällige Kämpfe verwickelt und müsst am Ziel dann erst gegen eine Gruppe von Gegner und schlussendlich gegen einen (Zwischen)boss kämpfen. Spielerisch unterscheiden sich die verschiedenen Missionen so gut wie nie, fast jede Quest läuft nach diesem Schema ab. Für Yakuza-Fans ist das kein Problem, da man dieses Gameplay ja schon von der Hauptreihe kennt, für Außenstehende könnte sich jedoch nach einiger Zeit eine gewisse Langeweile einschleichen. Zwischendurch stehen immer mal wieder Detektivaufgaben an, wie das Beschatten und Verfolgen von verdächtigen Personen oder die Spurensicherung an Tatorten, die zu Beginn zwar für etwas spielerische Abwechslung sorgen, besonders das Beschatten für mich aber rein der Zeitstreckung dient und nicht wirklich Spaß macht.

Die Detektivaufgaben – hier eine Beschattung – gehören nicht zu den Highlights in Judgment.

In den Kämpfen spielt Judgment dafür wieder seine volle Stärke aus. Schlagen, Blocken und Ausweichen geht intuitiv von der Hand und so lassen sich schnell die ersten ansehnlichen Kombos durchführen. Wie auch schon im Mutterspiel Yakuza könnt ihr zwischen verschiedenen Kampfstilen wählen und verheerende Finisher ausführen, bei denen ihr die Umgebung oder auch Waffen für besonders spektakuläre Takedowns nutzen könnt und eure Widersacher so in kleinen Zwischensequenzen recht blutig ausser Gefecht setzt. Ihr könnt Tak mit verdienten Skillpoints und Geld aufleveln und ihm die Prügeleien erleichtern. Das ist besonders zum Ende hin auch nötig, da der Schwierigkeitsgrad stark anzieht und die Bosse immer stärker werden. Was an sich gut ist mündet für mich jedoch auch in einem Kritikpunkt, der mich einige Nerven gekostet hat: es gibt ein neues System bezüglich tödlicher Wunden, die durch Waffen wie Messer, Schwerter, Pistolen und ähnlichem hervorgerufen werden können und eure Lebenleiste verkürzen, eure maximale Energie also weniger wird. Nun kommt es öfter vor, dass ihr in den Kampfabschnitten auf Gegner mit eben diesen Waffen trefft und euch der Lebensbalken im Laufe eines Abschnittes immer kleiner gemacht wird. Kommt ihr schlussendlich beim Boss an und habt keine Medikits mehr, so müsst ihr mit eventuell mit halbierter Leiste gegen den Obermacker kämpfen und habt dann selten den Hauch einer Chance, Entweder seid ihr also so gut, dass ihr das ohne Hilfsmittel schafft oder ihr müsst von einem vorherigen Speicherpunkt wieder anfangen und den kompletten Part noch einmal spielen. Denn wenn ihr während des Kampfes sterbt und einen neuen Versuch wagt ist die Leiste weiterhin auf dem Stand vor eurem Tod – was das Ganze teilweise unfair schwierig macht.

Die Kämpfe bilden das Herzstück von Judgment und nehmen neben Zwischensequenzen den Großteil der knapp 25 Stunden Spielzeit ein.

Neben den aber ansonsten sehr stimmungsvollen und spannenden Kämpfen bietet Judgment wie auch schon Yakuza eine Menge an Nebenmissionen und Minispielen (Drohnenrennen und Virtua Fighter 5 ftw.!), die einen abseits der Hauptstory und auch danach noch bei der Stange halten können. Mir ist es öfter mal passiert, dass ich statt der Mainquest zu folgen in irgendwelchen Bars hängengeblieben bin oder meine ganzen Yens im Casino verbraten habe. Das Pacing leidet darunter jedoch kaum, denn in den wirklich brenzligen Situationen zwingt euch das Spiel einen vorgegebenen Weg zu gehen. Ihr könnt also nicht noch in Ruhe eine Runde Baseball spielen gehen, während eine Mission zuvor der wahre Täter entlarvt wurde – dafür gibt euch Judgment dann wie erwähnt im Adventure-Modus nach dem Spielende Zeit.

Judgment bietet eine schier unbegrenzte Zahl an Nebenaufgaben wie z.B. ein Drohnenrennen.

Apropos Spielende: nach ca. 25 Stunden hatte ich den Abspann gesehen, eine für mich persönlich absolut angemessene Zeit für die gebotene Story, Längen gab es meines Empfinden nach kaum, einzig die bereits genannten Detektivaufgaben haben das Spiel teilweise unnötig gezogen.

In Sachen Gameplay bietet Judgment daher nicht wirklich viel Neues im Vergleich zu den Yakuza-Teilen, die sich von Ableger zu Ableger ja aber auch immer in Nuancen unterschieden haben, im Kern dennoch immer ein mit Shenmue-Anleihen klassischer Brawler waren und sind. Judgment ist quasi ein Yakuza mit einem anderen Skin und einer neuen Story.

Selbes Gameplay – selbe Technik

Der Umstand zeichnet sich auch in der Technik ab. Judgment läuft wie die neuesten Yakuza-Spiele mit der Dragon-Engine, die für ein belebtes und hübsches Kamurocho sorgt. Viele NPCs bewegen sich mit euch durch die Stadt, die Framerate bleibt meistens jedoch konstant flüssig und auch die Texturen sind größtenteils scharf, hin und wieder werden diese jedoch leider erst in hoher Auflösung nachgeladen.

Die Grafik kann sich durchaus sehen lassen – besonders Hauptfiguren sind aufwendig modelliert.

Das selbe Technikgerüst merkt man vor allem auch bei Taks Kampfanimationen, die teilweise 1:1 von Yakuza bzw. Kazuma übernommen worden sind. Da haben es sich die Ryu Go Gotoku Studios meiner Meinung nach etwas zu leicht gemacht, es hinterlässt bei mir so ein wenig das Gefühl von Recycling aus Faulheit.

Ein Unterschied zu Yakuza ist die englische Synchronisation mit wählbaren deutschen Untertiteln. Die Synchro ist auch gut gelungen, dennoch gibt es Probleme mit der reinen Übersetzung, denn oft unterscheiden sich das englisch gesprochene und deutsch geschriebene Wort – der Sinn bleibt meistens zwar irgendwie enthalten, dennoch war es für mich störend und hat ein wenig Immersion geraubt. Daher würde ich euch raten, entweder englische Sprachausgabe mit englischen Texten oder japanische Sprachausgabe mit deutschen Texten zu wählen.

Bis auf diesen Kritikpunkt kann ich an der Technik aber nicht wirklich was schlechtes finden, sie hat in Yakuza funktioniert und das tut sie auch hier wieder. Grafik und Ton können auf jeden Fall überzeugen und geben der spannenden Geschichte einen tollen audiovisuellen Rahmen.

Fazit

Wer Yakuza mag wird auch Judgment mögen – davon bin ich trotz teilweise nerviger Detektivjobs überzeugt. Wer mit Yakuza seine Probleme hat wird sie auch mit Judgment haben. Es ist ein „Open-World“ Brawler mit einer sehr spannenden Geschichte und repetitivem Gameplay, der für mich nicht an die Yakuza Qualität ranreicht, mich aber trotzdem mit erinnerungswürdigen Charakteren überrascht hat. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass ich mich in einem Yakuza-Universum spielenden Game auch ohne Kazuma und Co. so verlieren kann. Von daher gibt es von mir eine Empfehlung für Fans der Reihe und des Genres, für potentielle Interessanten am Yakuza-Franchise könnte Judgment aber auch ein gelungener Einstieg sein.

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