Was habe ich mich gefreut – Resident Evil 3 wird wie schon der Vorgänger neu aufgelegt, ein Relikt meiner jungen Jahre erstrahlt in neuem Glanz auf meinem Bildschirm. Schon das Remake von Resident Evil 2 hat all meine Erwartungen damals mehr als erfüllt, kann das Original eventuell sogar als Klassiker ablösen. Doch schafft auch der neueste Teil der Zombie-Saga, solch einen Eindruck zu hinterlassen?
1:1 Remake oder Neuinterpretation?
Direkt zu Beginn fällt auf, dass das diesjährige Resident Evil 3 anders als sein Original startet. Aus Spoilergründen möchte ich nicht im Detail auf den Start des Spiels eingehen, lasst euch aber gesagt sein, dass das Remake um einiges fulminanter beginnt als noch die Vorlage aus dem Jahr 1999. Für Leute, die weder das neue noch das alte RE3 kennen, eine kurze Zusammenfassung der Story bzw. Prämisse des Spiels: ihr steuert Jill Valentine, bekanntes S.T.A.R.S. Mitglied aus dem ersten Resident Evil, und müsst aus Racoon City entkommen, das von Zombiehorden überrannt wurde und nun eine urbane Todesfalle geworden ist. An eurer Flucht möchte euch jedoch Nemesis, eine Biowaffe aus dem Hause Umbrella, hindern, der es auf S.T.A.R.S. Mitglieder abgesehen hat und bei jeder Gelegenheit versucht, euch um die sprichwörtliche Ecke zu bringen. Unterstützung bekommt ihr dabei vom Umbrellasöldner Carlos Oliveira, der mit seiner Truppe ebenfalls in Racoon City mit Überleben beschäftigt ist und nebenbei versucht, Zivilisten aus der Gefahrenzone zu bringen. Zeitlich spielt Resident Evil 3 einige Stunden vor Resident Evil 2, so dass ihr auf aus dem Vorgänger bekannte Personen und Orte trefft und teilweise erfahrt, warum Dinge in RE2 so sind wie sie nun mal sind.
Bevor ich etwas näher auf das Gameplay eingehe möchte ich jedoch erst einmal die Frage klären, ob es sich bei diesem Teil um ein 1:1 Remake oder eine Neuinterpretation handelt. Wie schon zu Beginn erwähnt, der Start des Spiels gestaltet sich schon anders als das Original und auch im restlichen Verlauf des Spiels gibt es zwar immer wieder kleine Momente, die an das Ursprungsspiel erinnern, im Großen und Ganzen ist Resident Evil 3 (2020) aber eindeutig eine richtige Neuinterpretation statt ein etwas abgewandeltes Remake. Komplette Abschnitte aus dem Klassiker von 1999 sind nicht enthalten und andere Elemente wurden stark umgeschrieben, so dass diese kaum noch an die Quelle erinnern.
Generell finde ich das auch gar nicht verkehrt und bietet den Entwicklern ja auch Möglichkeiten, vor allem Spieler des Originals auf falsche Fährten zu locken oder neue Schockmomente einzufügen, mit denen man so nicht rechnet (wie das Verhörzimmer im neu aufgelegten Vorgänger). In diesem Fall ist das Capcom meiner Meinung nach aber nicht ganz so gut gelungen. Die gesamte Kampagne wirkte für mich etwas gedrungen und gekürzt, auch wenn die Spielzeit mit ca. 6 Stunden der Urfassung sehr nahe kommt. Besonders zum Ende hin wird das Spiel aber immer schlauchiger und hat nicht mehr viel mit dem Erkunden und Rätseln der alten Teile gemein, nicht mal mit dem Resident Evil 2 Remake. Diesmal wird mehr Wert auf Action gelegt, es fehlen große Areale, die auf den Kopf gestellt werden müssen um weiter zu kommen. Stattdessen wird man von Gebiet zu Gebiet geschickt, um dort kleinere Aufgaben zu lösen, die aber leider nicht sehr anspruchsvoll sind und größtenteils nicht mal das Prädikat Rätsel verdienen. Oft handelt es sich nur um Missionen nach dem Muster „Bringe Gegenstand A von Ort B zu Ort C, nehme dort Gegenstand D und bringe ihn an Ort E, um fortfahren zu können“. Wirkliche Knobeleinlagen kann man an einer Hand abzählen, was dem Original meiner Meinung nach nicht gerecht wird, auch wenn es damals schon actionlastiger als der vorherige Teil war.
Und da liegt wie in der Überschrift erwähnt für mich die größte Schwäche des Spiels: die eigenen Ansprüche und Erinnerungen. Denn wenn man sich das Spiel unabhängig vom Originalspiel und dem Resident Evil 2 Remake ansieht, dann ist es ein sehr gutes Spiel.
Gameplay und Grafik erschreckend gut
Und das wird durch das Gameplay und der Grafik erreicht, die sich im Vergleich zu RE2 (2018) nicht groß geändert haben, aber da ja auch schon fantastisch funktioniert haben. Ihr steuert Jill und Carlos aus einer Third-Person Perspektive und nutzt eurer mit der Zeit immer reichhaltiger werdendes Waffenarsenal, um euch Zombies und andere Mutanten vom Leib zu halten. Dabei überzeugt vor allem das Gunplay und Trefferfeedback, denn jede Waffe fühlt sich anders an und wirkt unterschiedlich wuchtig bei Treffern. Auch bei der Gegnervielfalt kann man nicht meckern, sowohl Monster aus dem Originalspiel als auch neue Ungeheuer wollen euch ans Leder. Um eben diesen aus dem Weg zu gehen gibt es jetzt die Möglichkeit, mit einem Dodge-Move Angriffen auszuweichen und – falls dabei perfektes Timing getroffen wurde – Bullettime zu aktivieren, die gleichzeitig auch noch automatisch auf die Schwachstellen der jeweiligen Gegner zielt. Und das ist teilweise auch nötig bzw. von Vorteil, da sich die Bewegungen der untoten Kollegen am besten mit unberechenbar beschreiben lassen.
Hauptantagonist Nemesis ist auch gut umgesetzt und verbreitet zu Beginn Panik, wird mit der Zeit jedoch leider immer etwas weniger furchteinflössend und irgendwann mehr wie ein normaler Bossgegner aus anderen Spielen. Das wird auch dadurch noch verstärkt, dass die Aufeinandertreffen sehr stark geskriptet und mehr Action-Bombast sind und nicht wirklich auf Terror und Panik ausgelegt sind – das wurde mit Mr. X in RE2 besser gelöst, auch wenn er mit der Zeit dafür etwas nervig wurde. Die Kämpfe gegen Nemesis sind ziemlicher Bosskampf-Standard, Schwachstelle ausfindig machen (die farblich natürlich heraussticht) und dann drauf da – die Inszenierung ist dafür top.
Generell zeigt die RE Engine mal wieder was in ihr steckt und begeistert mit knackscharfer Grafik und wunderbaren Lichteffekten. Ab und zu laden Texturen nach, was nicht schön aber verschmerzbar ist, sonst ist mir aber nichts negatives aufgefallen. Da muss ich leider etwas beim Ton mosern, auch wenn die Soundkulisse an sich wieder stimmig ist. Mir fehlen jedoch epische Tracks wie bei den Bosskämpfen, da wurde meiner Meinung nach einiges an Potential verschenkt. Wenn ich das z.B. mit dem Track aus dem Vorgänger während des finalen Kampfes gegen Mr. X vergleiche, dann zieht Resident Evil 3 da ganz klar den Kürzeren.
Natürlich gibt es auch wieder nette Splattereffekte wie zerplatzende Köpfe oder durchbohrte Körper, kommt aber nicht an die Brutalität eines Resident Evil 2 ran, was jedoch völlig wertfrei zu sehen ist – manche mögen es brutaler, manche eben nicht.
Fazit
Resident Evil 3 ist ein tolles Spiel – wenn man mit der richtigen Einstellung rangeht. Ich habe wohl zu viele Erwartungen reingesteckt und bin mehr von einem 1:1 Remake als von einer fast kompletten (Action-)Neuinterpretation ausgegangen und war deswegen teilweise enttäuscht. Nicht falsch verstehen, ich hatte trotzdem viel Spaß mit der Software, hätte aber wahrscheinlich noch mehr haben können, wenn Vorstellung und Realität nicht so weit auseinandergeklafft wären. Ich kann nicht mal wirklich erklären, was genau mich gestört hat, wahrscheinlich die Action:Rätsel Ratio und das Fehlen von bekannten Schauplätzen. Ein weiteres „Problem“ ist wohl, dass RE3 in verdammt große Fußstapfen treten musste und Resident Evil 2 dann doch eine Stufe besser ist. Das war aber auch schon bei den Originalspielen so, von daher weiß ich auch da nicht, was ich eigentlich erwartet habe. Für Horror/Actionfans kann ich das Spiel trotz meiner (irrationalen) Kritik klar empfehlen, es ist kein schlechtes Spiel, im Gegenteil, es ist wie erwähnt ein tolles Spiel – nur nicht ganz das, was ich mir erhofft hatte.
Nachtrag
Zusammen mit Resident Evil 3 wurde das asymetrische Multiplayer-Spiel RE: Resistance veröffentlicht. Wer meine Eindrücke dazu sehen möchte kann sich gerne dieses Video anschauen: