Nach dem Desaster, das Konami im letzten Jahr unter dem Namen eFootball 2022 veröffentlicht hat, versuchen es die Japaner diesen Monat erneut und haben endlich die Version 1.0 der Neuausrichtung ihrer ursprünglichen Traditionsreihe veröffentlicht. Doch wie sieht es aus, kann Konami Wiedergutmachung leisten oder ist auch die letzte ihrer damaligen Top-Serien nun endgültig tot?
Auf die Schwächen vor Version 1.0 möchte ich in diesem Test gar nicht eingehen, das wurde an anderen Stellen schon zu genüge (zurecht) getan und nicht umsonst hatte sich eFootball 2022 im letzten Jahr den inoffiziellen Preis zum schlechtesten Spiel des Jahres geschnappt. Um es vorwegzunehmen: mir macht die Fußball-Simulation nun wieder Spaß. Natürlich hat sie noch ihre Schwächen, im Laufe der Update-Zyklen aber auch viele (alte) Stärken dazugewonnen.
Wie sieht es inzwischen mit dem Umfang aus? Vorweg muss man festhalten, dass es sich bei eFootball um einen Free2Play Titel handelt, zumindest die Grundversion könnt ihr euch kostenlos runterladen. Im Laufe der Entwicklung sollen kostenpflichtige DLCs dazustoßen, wie beispielsweise der Karrieremodus „Meister-Liga“ oder die Möglichkeit des Editierens von Teams und Spielern. Doch auch jetzt schon hat das Fußballspiel mehr Inhalte zu bieten als zur ersten Veröffentlichung. Hauptaugenmerk liegt auf dem Dreamteam-Modus, dem Äquivalent zum damaligen MyClub-Modus. Mit GPs, einer der In-Game Währungen, die ihr mit absolvierten Spielen und Events verdient, könnt ihr gezielt Spieler für euer Team kaufen und euch so punktuell verstärken. Neben den GPs gibt es auch noch eFootball-Münzen, die ihr mit Echtgeld kaufen könnt und euch den Zugang zu besonderen Lootboxen bieten, in denen sich legendäre Spieler wie bspw. Viera oder Beckenbauer verstecken. Im Gegensatz zu den Käufen mit GP könnt ihr dort aber keine bestimmten Spieler auswählen, sondern müsst auf den Zufall hoffen – und die Wahrscheinlichkeit, in solchen Kisten Gurken zu ziehen, ist ziemlich hoch.

Spieler können sowohl mit Münzen als auch mit GP erworben werden.
Mit eurer Mannschaft könnt ihr dann bei speziellen Events antreten, in denen ihr meistens eine bestimmte Anzahl an Siegen einfahren müsst, oder ihr werft euch ins Ligagetümmel und versucht durch Punktgewinne in Divisionen aufzusteigen oder zumindest die Klasse zu halten. Daneben könnt ihr euch auch in sogenannten Authentic-Matches austoben und mit teilweise lizenzierten Teams auf Punkte- und GP-Jagd gehen. Was leider noch fehlt und schnellstmöglich hinzugefügt werden sollte: die Möglichkeit, in Friendly Lobbies gegen Freunde zu zocken. Momentan könnt ihr EFO nur online gegen Fremde oder offline gegen die CPU zocken, dort allerdings mit einer sehr limitierten Anzahl an Mannschaften.

Der Inhalt, gerade für Offline-Spieler, ist leider noch sehr überschaubar.
Der Content ist aktuell also noch sehr überschaubar und kein Vergleich zum EA Produkt, allerdings ist die „richtige“ Vollversion ja auch noch relativ frisch, daher sollte man Konami trotz aller vorherigen Patzer ein wenig Zeit einräumen. Außerdem muss man beachten, dass Konami das Spiel hauptsächlich über den Kauf von eFootball-Münzen finanzieren möchte, daher würde sich Stillstand in Sachen Lootboxen nicht rentieren. Auch wenn es sich um ein komplett anderes Genre handelt, aber Genchin Impact zeigt seit geraumer Zeit, wie man mit einem sehr gut produzierten F2P-Titel den Content immer frisch hält – ganz unabhängig davon, was man generell von solchen Systemen hält.
Und so wichtig regelmäßig neuer Inhalt auch ist, besonders da der Schwerpunkt auf der Onlinekomponente liegt, wichtiger ist dann ja doch auf dem Platz. Und da hat Konami tatsächlich – und entgegen meiner Erwartungen – viel im Vergleich zur Vorversion verbessert. Das Spieltempo ist optimal gewählt und die Spieler reagieren bis auf ein paar Ausnahmen präzise auf Eingaben. Einer der größten Vorteile, die PES bzw. eFootball immer gegenüber FIFA hatte, war der Wiedererkennungswert einzelner Spieler bzw. die spürbaren Unterschiede in Physis und Technik verschiedener Spieler. Ein Romario lässt sich direkter steuern, weil der Ball quasi an seinem Fuss klebt, hat bei Zweikämpfen mit Abwehrhünen dafür aber meistens das Nachsehen. Mein Vidal, den ich im zentralen Mittelfeld spielen lasse, ist nicht mehr der schnellste Sprinter in meinem Kader, gewinnt aufgrund seiner Physis aber so gut wie jeden Ball im direkt Duell. Sowohl bei der Steuerung der verschiedenen Akteure als auch bei der Darstellung (Größe und Gewicht im Vergleich zu anderen Kickern) hat Konami meiner Meinung nach die Nase gegenüber FIFA vorn.
Und auch das Passspiel hat sich erheblich verbessert und lässt den Ball meistens nachvollziehbar über das Feld rollen. Wie schon bei den vorherigen Teilen kommt es auf Position und Entfernung zum Passempfänger an, mit dem Rücken zum Mitspieler einen 30 Meter Pass in den Lauf zu spielen wird mit hoher Wahrscheinlichkeit beim Gegner landen. Was jedoch nicht so gut funktioniert ist einerseits die Auswahl des richtigen Empfängers und andererseits das Abfangen von gegnerischen Bällen. So kann es vorkommen, dass man gefühlt neben seinem Mitspieler steht und den Ball nur rüberlegen möchte, das Spiel aber trotz ganz kurzer Eingabe den Kollegen zwei Stationen weiter anspielen möchte. Und bei gegnerischen Zuspielen passiert es leider (noch) zu oft, dass der eigene Spieler neben einem leicht abzufangenden Kullerbällchen steht und sich dazu entscheidet, nichts dagegen zu tun.
Das führt zu einem weiteren Problem, was das Abwehrspiel von EFO betrifft. Durch die neue Zweikampf-Mechanik, bei der sich nun auch gezielt Schultern bzw. Körper einsetzen lassen, spielt der Ball hin und wieder eine untergeordnete Rolle und liegt fast herrenlos auf dem Spielfeld herum, weil sich die beiden Spieler lieber behaken und wegschieben, statt dabei den Ball im Auge zu behalten. Das führt manchmal zu ärgerlichen Situationen, in denen der Ball dann eigentlich schon so gut wie geklärt wäre, dadurch dann aber wieder heiß wird und sogar zu Gegentoren führen kann.
Ein weiteres Problem in der Abwehr ist momentan noch das Stellungsspiel der Innenverteidiger, das hoffentlich bald gefixt wird. So entstehen oft sehr große Lücken für die gegnerischen Stürmer, wenn man seine Verteidiger nicht ständig manuell ausrichtet. Ansonsten ziehen sie oft zu weit nach außen, was gerade gegen zwei oder drei Stürmer Systeme anfällig ist. Ein Angreifer zieht den IV dann aus dem Zentrum weg und schickt seinen Kollegen per Steilpass in die oft metergroße Lücke. Leider funktioniert das wie gesagt noch zu einfach, wenn man nicht immer wieder händisch nachhilft.
Ansonsten erinnert das Gameplay trotz einiger Änderungen wieder mehr an PES 20/21, manchmal wirkt es aber immer noch willkürlich, besonders was manche Aktionen der KI angeht. Schüsse sind wie Pässe situationsabhängig und können sowohl krachend im Giebel landen als auch die Eckfahne küssen. Offensiv kann man mit den richtigen Spielern tricksen oder die neu implementierten Schuss- und Passspezialitäten per rechtem Trigger nutzen, die für besonders gefährliche Situationen sorgen. Crossplay funktioniert leider noch nicht, wird aber auch hoffentlich schnell nachgeschossen und für mich neben dem F2P-Modell ein starkes Argument für eFootball 2022.
Ich hatte mir die PS5-Version heruntergeladen und wurde grafisch zufriedengestellt. Die Spielermodelle sahen realistisch aus und auch die Gesichter sehen größtenteils realitätsgetreu aus. Dafür umso ärgerlicher: bei eigenen Standards ruckelt die Kamera aus unerfindlichen Gründen und die Framerate stottert vor sich hin. Das ist eine Sache, die sich wahrscheinlich sehr leicht beheben lassen würde, bis jetzt aber leider nicht angefasst wurde. Die Kommentatoren haben sich nicht geändert und bringen die selben Sprüche wie seit Jahren, auch die Stadionatmosphäre reißt keine Bäume aus.

Grafisch macht eFootball 2022 eine gute Figur. Sowohl Grafik an sich als auch die meisten Animationen wissen zu überzeugen.
Fazit
Nach dem Debakel im letzten Jahr hatte ich eFootball komplett abgeschrieben und mich widerwillig FIFA zugewandt. Seit dem Release der „Vollversion“ bin ich nun aber wieder komplett auf dem Konami Platz unterwegs und fühle mich dort auch ziemlich wohl. Das Spiel hat immer noch seine Fehler und natürlich kann man auch das ganze F2P bzw. Pay2Win System kritisch sehen. Doch der Schritt vom ursprünglichen Spiel zum heutigen Stand macht Hoffnung und zeigt mir, dass es Konami wohl doch noch nicht ganz verlernt hat. Das schwierigste Unterfangen wird wohl jetzt werden, den schrecklichen Ersteindruck vergessen zu machen und zumindest erst einmal alteingesessene PES-Fans wieder ans Pad zu bringen. Sollte das gelingen, und so sieht es zumindest auf Twitch aktuell aus (teilweise mehr Streams als FIFA, das war damals undenkbar) und sollte Konami schnell und regelmäßig Content nachschießen, dann könnte das wohl älteste Derby der Videospielbolzerei wieder spannend werden: eFootball oder FIFA?