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Test: The Callisto Protocol

von Pat
EntwicklerStriking Distance Studios
PublisherKrafton
PlattformPC, PlayStation 4, PlayStation 5, Xbox One, Xbox Series
2. Dezember 2022
2. Dezember 2022
2. Dezember 2022

Als Callisto Protocol 2020 bei den Game Awards das erste Mal vorgestellt wurde, konnte meine Vorfreude kaum größer sein. Glen Schofield, seines Zeichens Erfinder des Horrorklassikers Dead Space, entwickelt mit seinem Studio Striking Distance Studios einen geistigen Nachfolger, der das Ausgangsmaterial für aktuelle Systeme neu interpretieren sollte. Ende 2022 war es dann endlich soweit, das Callisto Protokoll wurde für Old- und Current-Gen Konsolen und den PC veröffentlicht. Mit etwas Verspätung konnte ich das Erstlingswerk der Striking Distance Studios nun auch durchspielen und wenn ich meine Erfahrungen mit einem Wort zusammenfassen müsste, dann wäre es wohl: Schade. Doch der Reihe nach.

Clearance-2023

Knasthorror wie in The Suffering

Jacob und Max, Frachtflieger für die UJC, die United Jupiter Company, haben noch einen Job zu erledigen, bevor sie sich in den wohlverdienten Ruhestand verabschieden wollen. Eine Ladung medizinischer Utensilien möchte vom Planeten Europa nach Callisto, auf dem das intergalaktische Gefängnis Black Iron seine Heimat gefunden hat, transportiert werden. Auf dem Weg werden sie jedoch von einer Gruppe Terroristen überrascht, die sich an Bord des Transportschiffs geschmuggelt haben und dieses zum Absturz bringen. Nur Jacob und Dani Nakamura, die Führerin der Terrorgruppe, die sich Outer Way nennen, überleben den Crash und werden postwendend ins Black Iron gebracht – als Häftlinge wohlgemerkt. Jacob, der sich keiner Schuld bewusst ist, landet also hinter Gittern und muss zu allem Überfluss auch noch miterleben, wie sich zombieähnliche Wesen im Knast breit machen und alles menschliche Leben auf brutalste Art und Weise beenden. Jacob muss also aus dem verseuchten Zuchthaus entkommen und dabei herausfinden, warum er überhaupt gefangen genommen wurde. Und wie es sich für solche Spiele gehört, steckt hinter all dem natürlich eine große Verschwörung, die aufgeklärt werden will.

Die Story von Callisto Protocol funktioniert. Es wird keine epochale Geschichte mit tausenden Mindfuckmomenten erzählt, über die man auch noch Jahre später diskutieren wird, aber im Kontext des gesamten Spiels passt das ziemlich gut und versprüht Dead Space Vibes. Es gibt hassenswerte Antagonisten und sympathische Protagonisten, besonders die Darstellung Jacobs hat mir gut gefallen. Er ist zwar der (vermeintliche?) Held der Geschichte, ist dabei aber immer menschlich und zeigt nachvollziehbare Aktionen und Reaktionen. Wir haben es nicht mit einem übermenschlichen Actionstar zu tun, der coole One-Liner raushaut und dabei Gegnerköpfe zu Brei schlägt, als hätte er sein Leben lang nichts anderes gemacht.

Generell ist die ganze Aufmachung, sei es nun Story, Atmosphäre oder auch Grafik und Sound auf einem sehr hohen Niveau. Black Iron kann wirklich furchteinflössend wirken und weiß durch gezielte Schockmomente – auch mit einer Reihe von Jump Scares – zu begeistern. Das Licht- und Schattenspiel funktioniert hervorragend und die mit ekelhaft organischem Material überzogenen Korridore sorgen für den nötigen Nervenkitzel, auch abseits von offensichtlichen Schreckmomenten.

Dazu trägt auch die Kameraführung bei, die ganz Dead Space’ish sehr nah an Jacob haftet und die Distanz zwischen Spieler und Figur sehr gering hält. Das erhöht die Immersion merklich, auch wenn es gerade in Kämpfen zu Lasten der Übersichtlichkeit abgeht.

An den Rahmenbedingungen gibt es also nicht viel zu meckern. Das Spiel erzählt eine spannende Geschichte und sieht hervorragend aus. Fehlt nur noch ein ansprechendes Gameplay, um ein rundes Produkt vorzufinden. Und genau da haperts bei The Callisto Protocol am meisten.

Die spielerische Hölle auf Erden

Vorab: im Vergleich zu Dead Space setzt Callisto Protocol seinen Schwerpunkt in den Konfrontationen auf unerbittlichen Nahkampf. Ihr könnt auch eine Handvoll Feuerwaffen benutzen, sehr viel effektiver ist aber euer Wärterknüppel, mit dem sich die Mutanten zu wortwörtlichem Brei prügeln lassen – abgetrennte Gliedmaßen und Köpfe inklusive. Was an sich nach einer spannenden Idee klingt, ist in der Ausführung aber komplett daneben gegangen. Das liegt an mehreren Faktoren.

Die Kämpfe laufen nach immer dem gleichen Schema ab. Ihr trefft auf ein Monster, haltet den linken Stick nach links oder rechts, weicht damit automatisch der Attacke aus, haltet dann nach rechts um noch einmal auszuweichen, eventuell noch einmal nach links für ein weiteres Ausweichen und schlagt dann mit dem rechten Trigger zu, optimalerweise eine 3er-Kombo mit anschließendem Einsatz der Feuerwaffe. Und das macht ihr stumpf bei jedem Gegner. Keine Muster, die ihr lernen müsst, keine schnellen Reaktionstests – ihr haltet einfach nur nach links oder rechts, mehr nicht.

Was bei einem Gegner viel zu einfach ist, wird bei mehreren Monstern dafür unfair unübersichtlich. Da ihr nicht allgemein blocken könnt, sondern für jeden Gegner individuell ausweichen müsst, wird das Geschehen so hektisch, das ein Überblick über die Situation nicht gegeben ist und man nur auf gut Glück nach links oder rechts drückt.

Und was beim gemeinen Fussvolk schon nicht gut umgesetzt ist, erlebt bei den Zwischenbossen seinen traurigen Höhepunkt. Nicht nur, dass man mehrmals gegen immer den selben Bossgegner kämpft, nein, er benutzt auch noch immer die selbe Taktik. Und spätestens beim ersten Aufeinandertreffen mit dem Freak wurde mir tatsächlich klar, wie schlecht das Kampfsystem von The Callisto Protocol tatsächlich ist. Dazu muss ich allerdings kurz ausholen.

In TCP ist es möglich, Jacob durch Credits aufzuleveln. Stärkere Angriffe, mehr Munitionskapazität oder stärkere Batterien für den Handschuh, mit dem sich Gegner und Gegenstände kontaktlos herumwerfen lassen – all das und noch viel mehr lässt sich verbessern. Wie nun zu Beginn des Abschnittes bemerkt, handelt es sich bei diesem Horrorspiel um ein nahkampffokussiertes Game, dementsprechend levelt man hauptsächlich Meeleattacken auf. Da die Standardzombies allesamt Bulletsponges sind und viel zu viel Munition schlucken, lohnt sich der Einsatz der Knarren kaum – höchstens, um eine Mutation zu unterbinden, die in den Gemetzeln immer wieder auf Seiten der Widersacher stattfinden (können).

Lässt man seine Schießeisen also verwaisen und konzentriert sich auf die Schlägereien, dann steht man beim zweiköpfigen Zwischenboss ziemlich dumm da. Denn dieser lässt sich nur durch Fernwaffengewalt verletzen, Nahkampfangriffe werden sofort gekontert oder führen per One-Hit Gegenattacke sofort zum Tod. Hat man also keine Munition gespart, dann kann es vorkommen, dass man seinen Spielstand gesoftlockt hat und von weiter vorne anfangen muss, um genügend Ressourcen parat zu haben.

Das wäre an sich auch kein Problem, wenn das Spiel den Spieler irgendwie vorher darauf aufmerksam machen würde. Das passiert aber nicht und führt das über mehrere Kapitel aufgebaute Spielprinzip ad absurdum. Ich kann am Gamepad ja nicht riechen, dass ich plötzlich ganz anders spielen muss als die Stunden davor – und das passiert drei Mal! Denn auch wenn man beim ersten Aufeinandertreffen noch sagen könnte, ja, dumm gelaufen, aber jetzt ist’s ja geschafft, nein, ist es eben nicht. Ihr kämpft noch zwei weitere Male gegen den selben Gegner (!), mit genau der selben Taktik (!!). Wie soll ich das als Spieler antizipieren, wenn es darauf nicht einen Hinweis gibt? Sorry, aber das ist wirklich ganz schlechtes Spieldesign und hat The Callisto Protocol für mich massivst abgewertet. Alles, was die Striking Distance Studios bei Technik und Story richtig gemacht haben, wurde mit dem Gameplay wieder eingerissen.

Dazu gehört auch die lieblose Schleichmechanik, die keinerlei Informationen darüber gibt, wie gut man versteckt ist oder man Gefahr läuft, von Gegnern entdeckt zu werden. Keinerlei Indikator soll wohl die Immersion stärken, sorgt aber in diesem Fall nur für mehr Frust.

Über die schlauchartigen Level, die nicht wirklich Raum zur freien Erkundung bieten, kann ich hinwegsehen und wären, richtig genutzt, ja auch ein Pluspunkt für die Atmosphäre. Und auch die Grafik, ich kann mich an kaum ein Spiel erinnern, was einfach so verdammt gut ausschaut. Die Animationen, die Gesichter, das Spiel mit dem Licht: The Callisto Protocol ist eine Augen- und Ohrenweide, denn auch für die richtige soundtechnische Untermalung ist während des gesamten Durchlaufs gesorgt. Wäre da nur nicht dieses Kampfsystem…

Fazit

Das tut weh! The Callisto Protocol hätte ein überaus solides bis gutes Action-Horrorspiel werden können. Technik und Geschichte wissen zu überzeugen und schaffen eine Atmosphäre, die zu Gruseln weiß. Und dann kommt die Kampfmechanik und macht alles zunichte, so dass am Ende ein einfach sehr enttäuschendes Spiel bleibt, das weit unter seinen Möglichkeiten bleibt. Holt euch lieber das Dead Space Remake oder bleibt auch dem Original treu, beide Varianten schlagen The Callisto Protocol um Tentakelarmlängen.

7.4

Gameplay

5.0/10

Grafik

9.2/10

Sound

8.9/10

Umfang

6.5/10

Pros

  • Tolle Präsentation
  • Schaurige Soundkulisse
  • Angenehme Länge

Cons

  • Grottiges Kampfsystem
  • Schleichpassagen nerven
  • Unfaire Bosskämpfe

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