Metal Gear trifft auf Hot Shots – so lässt sich UnMetal wohl am ehesten auf die Schnelle beschreiben. Indie-Entwickler unepic_fran aus Barcelona hat mit der Klamauk-Action aber nicht nur humoristisch meinen Nerv getroffen. Auch spielerisch hat UnMetal einige nette Ideen, die die seit Jahren gelebten Videospielnormen charmant auf den Kopf stellen. Wie genau das aussieht, möchte ich im folgenden Test klären.
Ein Verbrechen, das er nicht begangen hat
Jesse Fox hat es nicht leicht. Nicht nur, dass er wegen eines Verbrechens, das er nicht begangen hat, festgenommen wird, bei seiner erfolgreichen Flucht wird er wieder gefangen genommen und muss dem U.S. Militär nun erklären, wie er in diese Situation gekommen ist. Also erzählt Jesse alles, was ihm bei seiner Flucht widerfahren ist – bis ins absurdeste Detail. Und schon in dieser recht simplen Prämisse liegt eine der größten Stärken von UnMetal. Die Geschichte wird nämlich als eine Art Rückblick erzählt, bei dem wir den Weg unseres Protagonisten immer wieder um Nuancen verändern können.

Dies geschieht in Form von Multiple-Choice Abfragen, die in den seltensten Fällen wirklich eindeutig formuliert werden und den Spieler oft auf eine falsche Fährte locken. An einer Stelle müsst ihr euch beispielsweise entscheiden, ob ihr bei eurer Flucht auf Exterminatoren oder Skandinavier getroffen seid. Wählt ihr die Skandinavier, weil ja eigentlich alles besser als mechanische Killermaschinen sein sollte, merkt ihr schnell, dass diese Entscheidung eventuell nicht die beste war. Denn, wie natürlich allseits bekannt, können Skandinavier viel mehr Schläge als der durchschnittliche Europäer einstecken und brauchen auch nur ein paar Sekunden Schlaf, um danach wieder sofort zu 100% zu funktionieren. Also müsst ihr ausgeschaltete Wachen auch noch mit Seilen fesseln, die aber auch mengenmäßig begrenzt sind. Wären die Exterminatoren da vielleicht doch die bessere Wahl gewesen?

Solche Entscheidungen trefft ihr regelmäßig. Mal mit ausformulierten Wörtern wie oben beschrieben, mal aber auch nur mit drei aneinandergereihten Buchstaben, die eine Auswahl noch schwieriger machen und ihr dann oft nicht mal wisst, was man nun überhaupt gepickt hat. Diese Mechanik lädt zum erneuten Durchspielen ein, auch weil man nach knapp 8 Stunden den Abspann zu Gesicht bekommt und ein erneuter Durchgang mit alternativen Wegen kein wirklicher Zeitfresser ist.
Was leider, auch Entscheidungssystem betreffend, nicht so gut gelöst ist, ist der Umstand, dass es hin und wieder zu „Trial and Error“-Passagen kommt. In manchen Situationen führt die falsche Auswahl zum Instadeath, ihr bekommt aber keinen Hinweis, welche Antwort denn jetzt richtig sein könnte. Das ist auch der Geschichte bzw. der Erzählweise von UnMetal geschuldet, dann wirklich Sinn macht in diesem Machwerk kaum etwas. Das führt dazu, dass ihr manchmal fleißig alle Antwortmöglichkeiten ausprobieren müsst und dies auch über mehrere „Runden“ gehen kann – eine falsche Antwort lässt euch den kompletten Dialog von vorne starten.
Dieses ganze aktive Mitgestalten der Story ist aber ansonsten wirklich gelungen und bricht auf sehr charmante die 4. Wand. Solltet ihr beispielsweise auf einen Spind einschlagen, um den Inhalt freizulegen, werdet ihr im Verhör gefragt, warum ihr denn auf den Spind eindrescht und nicht einfach die Tür öffnet – das Spiel lässt euch diese Wahl aber gar nicht. Außerdem spielt UnMetal sehr mit den gelernten Mechaniken des Genres und kehrt sie geschickt um. Ihr habt mühsam Medikits eingesammelt? Glückwunsch, da ihr aber keine Gegner töten dürft müsst ihr die Kits bei Schusswaffengebrauch für eure Feinde nutzen. Einfache Dockarbeiter haben keine Lust mehr, immer im Schatten der Soldaten zu stehen und nur als Zivilisten zu fungieren, also werden Industriesägen zu tödlichen Fallen umfunktioniert. Solche Dinge passieren ständig und machen das Spiel auf eine gute Art sehr unberechenbar. Ach, wusstet ihr übrigens, dass man Chloroform aus den beiden Chemikalien Chloro und Form herstellt? Ich auch nicht.

Classic Metal Gear
Doch wie sieht das Gameplay grundlegend überhaupt aus? UnMetal spielt sich wie die alten Metal Gear Teile auf dem MSX, ihr seht Jesse also aus der Vogelperspektive und führt ihn durch allerhand unterschiedlicher Levelabschnitte, möglichst ohne entdeckt zu werden. Neben dem hauptsächlichen Einsatz eurer Fäuste gibt es auch eine Handvoll (potentieller tödlicher) Waffen zu nutzen, ebenso könnt ihr ausgeschaltete Wachen durchsuchen oder wegtragen, um sie so aus dem Sichtfeld zu schaffen.
Wie in vielen anderen Stealth-Games könnt ihr Gegner anlocken, in UnMetal in Form von Geräuschen (das ikonische Wandklopfen von Snake) oder dem Einsatz von Münzen, die den monetären Instinkt der Feinde wecken.
Apropros Feinde: die Auswahl in UnMetal ist sehr vielseitig und innovativ. Normale Wachleute, Skandinavier, Exterminatoren, Hafenarbeiter, mutierte Eichhörnchen, Geister, U-Boote mit nuklearen Sprengkopfen, Tzetze-Fliegen – hier gibt es echt alles. Und fast jede Bedrohung braucht unterschiedliche Taktiken, was das Ganze natürlich noch herausfordernder macht.

Dennoch gibt es auch Probleme bei den Gefechten, allen voran die Kollisionsabfrage im Nahkampf. Es kam mehr als einmal vor, dass ich einen Gegner nicht getroffen habe, obwohl ich in Schlagreichweite stand und wahrscheinlich nur einen Pixel zu weit oben/unten stand, was man mit bloßem Auge aber gar nicht sehen konnte. Das hat mich einige Leben gekostet und wäre mit einer gewissen Pixeltoleranz wahrscheinlich fairer gelöst. Ein weiteres Problem mit den Gegnern, besonders wenn man versucht, sich lautlos durch die Level zu bewegen, ist der 2D-Grafik geschuldet. Da die Figuren bzw. deren Blickrichtungen nur aus 4 Sprites bestehen ist es unheimlich schwer, eigentlich unmöglich, die nächsten Bewegungen der Wachen vorauszusehen. Vor allem, da die Laufwege zufällig ausgewählt werden und bei jedem Versuch anders sind. Daher ist es ratsam, Gegner während des Laufens auszuschalten.
Abgesehen von diesen Problemen lässt sich UnMetal aber sehr abwechslungsreich spielen. Es gibt Momente, in denen ihr in Sidescrolling-Manier ein U-Boot steuert oder euch mit einem Dutzend an verschiedenen Bossgegnern anlegen müsst, die alle auf eine spezielle Art und Weise besiegt werden wollen.
Fast wie Snake
Auch grafisch kann UnMetal überzeugen. Die 2D-Umgebungen sind liebevoll gestaltet und innerhalb der neun Kapitel werdet ihr immer wieder neue Schauplätze zu Gesicht bekommen. Und selbst mit der Grafik nimmt sich das Spiel nicht ernst: an einer Stelle überfällt unser Held einen Professor und hält ihm die Waffe in den Rücken, mit der eindringlichen Bitte, sich langsam umzudrehen. Der Professor entgegnet daraufhin, dass er sich nicht langsam umdrehen kann, da ihm die Grafik nur zwei Sprites zum Umdrehen erlaubt.
UnMetal bietet ist komplett auf englisch vertont und dabei machen die Synchronsprecher einen tollen Job. Besonders Jesse Fox klingt fast wie David Hayter, der wohl ikonischsten Stimme der Metal Gear Solid Spiele. Auch der Soundtrack könnte aus MGS stammen, die gesamte Präsentation ist Konamis Vorbild nachempfunden – und das sehr gut.
Fazit
Wer Stealth-Spiele mag und am besten dazu noch Fan der Metal Gear Reihe ist, der sollte bei UnMetal bedenkenlos zuschlagen. Es mag spielerisch seine kleinen Schwächen haben, funktioniert als Gesamtpaket aber hervorragend. Das Spiel nimmt sich zu keiner Zeit ernst und lässt das den Spieler auch regelmäßig, eigentlich durchgängig, spüren. Die Möglichkeit, die Geschichte durch Entscheidungen mit zu verändern, auch wenn das Ende immer das Gleiche bleibt, lädt zum Wiederspielen ein, ebenso wie die in den Leveln versteckten Geheimnisse. Für mich ist UnMetal einer der größten Geheimtipps des letzten Jahres