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Test: Olympische Spiele Tokyo 2020

von Pat

Sportspiele, die auf olympischen Veranstaltungen basieren oder zumindest deren Disziplinen übernehmen, begeistern mich seit klein auf und haben ihren Reiz immer noch nicht verloren. Noch heute kommt es vor, dass ich ab und zu mal eine Runde International Track & Field auf meiner PS Classic oder der Duckstation spiele und versuche, meine aufgestellten Rekorde zu knacken. Doch so viel Spaß mir T&F noch macht, der Markt für solche Spiele ist inzwischen ziemlich ausgedörrt. Hin und wieder mal ein Crossover von Mario und Sonic, seriöse Abbildungen des Sports sucht man jedoch vergeblich. Mit Olympische Spiele Tokyo 2020 möchte Sega das Genre nun mit neuem Leben füllen und setzt dabei auf eine große Auswahl an verschiedenen Disziplinen und einer Mischung aus Simulation und Arcade – sowohl beim Gameplay als auch bei der Präsentation. Kann Tokyo 2020 die Goldmedaille holen oder zumindest auf das Treppchen schaffen oder reicht es doch nur für die Teilnehmerurkunde?

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Quantität, doch auch Qualität?

Tokyo 2020 bietet satte 18 Disziplinen, darunter Klassiker wie 100m Lauf, Weitsprung oder auch Hammerwurf, aber auch Exoten wie Rugby, Sport-Climbing, Tischtennis oder Fussball. Die Auswahl an Sportarten kann sich definitiv blicken lassen, auch im Hinblick auf abwechslungsreiches Gameplay. Während es bei den Laufdisziplinen hauptsächlich auf schnelle Finger ankommt, müsst ihr bei anderen Wettbewerben wie zum Beispiel Tennis auf Timing und Stellungsspiel achten. Das sorgt dafür, dass Button-Mashing Experten nicht so gut wie jedes Spiel für sich entscheiden können sondern jeder Spieler seine Stärken unterschiedlich nutzen kann und so im Optimalfall eine ausgeglichene Olympiade bietet.

Die Auswahl an Disziplinen ist genretypisch unüblich und bietet einige Überraschungen.

Doch so abwechslungsreich die meisten „Minispiele“ sind, gerade bei teambasierten Sportarten macht einem die KI das Leben doch oft unnötig schwer. Besonders beim Tennis, das als 2 gegen 2 gespielt wird, läuft der computergesteuerte Begleiter öfter mal in Schläge rein und blockiert so die Flugbahn des Balles oder geht einfach nicht zu gegnerischen Returns. Auch beim Fußball haben die Kollegen keine optimalen Laufwege und auch die Keeper erreichen manchmal schon David Seaman Niveau. Das ist natürlich nervig, gerade mit Kollegen auf der Couch können solche Dinge aber auch für lustige Momente sorgen. Apropos Kollegen: lokal bietet Tokyo leider nur einen 2-Spieler Modus an, online sind es dann bis zu 4 Personen. Warum es an der heimischen Konsole keine 4-Spieler Option gibt ist mir schleierhaft und auch ganz klar ein Kritikpunkt.

Für reine Singleplayer ist Tokyo 2020 auch nicht zu empfehlen und das aus zwei Gründen: zum einen gibt es leider keine klassische Olympiade, bei der jede Disziplin hintereinander gespielt wird und die erreichten Punkte dann wettbewerbsübergreifend zusammengerechnet werden. Stattdessen könnt ihr euch die Sportarten selber aussuchen und müsst dann zwei Qualifikationsrunden abschließen, bevor ihr dann die Möglichkeit habt, eine der begehrten Medaillen abzugreifen. Da ihr die Wettbewerbe aber so oft wie ihr wollt wiederholen könnt geht dadurch der kompetitive Ansatz verloren und es gleicht mehr einem Tutorials als wirklichen olympischen Spielen. Ihr habt zwar die Möglichkeit sogenannte Mix-Modi auszuwählen, bei denen thematisch Sportart zusammengelegt werden (oder ihr eure eigene Liste erstellen könnt), um dann doch eine Art Olympiade zu spielen, doch leider ist die Auswahl der Disziplinen auf 7 begrenzt.

Sportarten, bei denen ihr euch auf euch selber verlassen müsst, funktionieren besser als KI-unterstützte Spiele.

Der zweite Kritikpunkt betrifft den Schwierigkeitsgrad, denn der ist ziemlich unausgeglichen. Stellen die erste und zweite Qualifikationsrunde keine Schwierigkeit dar, kommt es spätestens bei der Finalrunde zu einem extremen Anstieg der CPU Stärke, die teilweise jenseits von gut und böse ist. Ich würde mich selber als sehr guten Track & Field Spieler bezeichnen, doch gerade bei Buttonmashing Disziplinen sehe ich teilweise kein Land. Das hängt mit einem weiteren Punkt zusammen, den ich aus Usability-Sicht schlicht nicht nachvollziehen kann. Ihr könnt Tipps für die verschiedenen Wettbewerbe freispielen und euch so Vorteile verschaffen, was an sich ja erstmal kein Problem wäre. Die Tipps werden durch eine bestimmt Anzahl an Starts der jeweiligen Sportarten freigeschaltet, die Hürde ist demnach nicht sonderlich hoch. Das Problem an der Sache: die Tipps erwähnen Tasten bzw. ganze Gameplaymechaniken, die in den Tutorials nicht erwähnt werden. Diese Tipps sind demnach also nicht nur „Tipps“, sondern oft essenzielle Bestandteile des Gameplays – die an keiner anderen Stelle im Spiel erwähnt werden. Wer sich diese Tipps also nicht sorgfältig durchliest wird es nicht weit bringen, dafür muss man aber erst ein paar Mal eben diese Disziplinen spielen und versagen, um die Hilfen freizuspielen – ein unnötiger Teufelskreis.

Ihr könnt Tipps freispielen – die euch elementare Gameplayelemente verraten, die euch das Tutorial nicht zeigt.

Damit es mit der Langzeitmotivation doch klappt gibt es einen Onlinemodus, bei dem der Raumersteller eine Reihenfolge an Spielen festlegen kann, die am Ende je nach Platzierung zu einer Gesamtbewertung zusammengerechnet werden. Wenn man Glück hat und auf gute Spieler mit stabilen Verbindungen trifft funktioniert das auch überraschend gut. Bei weniger konstanten Leitungen macht es hingegen kaum Sinn, weil es oft auf das richtige Timing ankommt, was mit Lags natürlich fast unmöglich wird. Daneben gibt es online noch einen Punktemodus, bei dem zu bestimmten real-life Tageszeiten bestimmte Sportarten gespielt werden und ihr euch mit anderen Leuten messen könnt, um so eure Punkte und damit euren Rang aufzuwerten. Das kann motivieren, muss aber nicht. Gerade für mich liegt der Reiz in solchen Spielen, den oder die Kontrahenten persönlich zu kennen, im Optimalfall von Angesicht zu Angesicht oder zumindest im Voicechat zu trashtalken und so eine von Ehrgeiz und Willen triefende Zockrunde durchzusporten. Dieses Feeling bleibt im anonymen Onlinemode, den man übrigens auch zu zweit an einer Konsole starten kann, etwas auf der Strecke und nimmt dem Ganzen so ein wenig den Reiz.

Denn wie schon erwähnt, eigentlich machen die Wettbewerbe Spaß, sind abwechslungsreich und stechen gerade im Bezug auf vorherige Olympiatitel schon heraus. Und natürlich weiß man auch, worauf man sich bei so einer Art Spiel einlässt und es kein Titel für einsame Wölfe ist. Etwas mehr Möglichkeiten hätte ich mir dann aber doch gewünscht.

Zwischen Simulation und Arcade

Was die grafische und spielerische Umsetzung in Sachen Präsentation angeht wählt Tokyo 2020 einen Mittelweg aus Simulations- und Arcadetitel. Auch wenn die Figuren schon etwas comichaft aussehen, so könnte man mit zugedrückten Augen doch noch einigermaßen realistische Animationen erkennen. Dies wird allerdings komplett aufgebrochen sobald man anfängt seinen Charakter mit den unzähligen Outfits zu personalisieren. So läuft plötzlich ein Sprinter mit Sonic-Kostüm über die Bahn, bunte Afroträger schwingen die Kugel beim Hammerwurf oder Astronauten schwimmen 100m durch das kühle Nass.

Mit den erspielten Punkten (oben rechts) könnt ihr euch neue Outfits oder Merkmale kaufen.

Dazu kommen bunte Specialmoves, die mit Over-The-Top Animationen eingeläutet werden und an jeder Ecke bunt leuchten. Spätestens dort wird der Simulationsansatz dann komplett über Bord geworfen und man merkt, dass SEGA hier hauptsächlich für den schnellen Arcadespaß sorgen will. Das funktioniert soweit auch ganz gut, knackige 60 FPS sind das Ergebnis der etwas detailarmen Comicgrafik, was gerade bei Reaktionsspielen natürlich für flüssigeres Gedrücke sorgt.

Tontechnisch braucht man keine großen Erwartungen schüren, hier wird absolute Standardkost geboten. Manches Gedudel kann dabei ziemlich schnell nerven und auch sonst ist das eher mehr erfüllte Pflicht statt wirkliche Mühe. Andererseits könnte man berechtigterweise natürlich auch entgegnen, dass auch beim realen Vorbild nicht immer großartige Stimmungsstürme durch die Stadien hallen. Zumal man meist eh zu konzentriert ist, um sich komplett auf die Soundkulisse einlassen zu können.

Fazit

Olympische Spiele Tokyo 2020 macht es mir nicht leicht. Als Singleplayer-Spiel funktioniert es meiner Meinung nach nicht sehr gut und wird ziemlich schnell langweilen. Für Online-Fans kann es funktionieren, wenn man sich auf die anonyme Medaillienjagd einstellen kann und einem der persönliche Faktor egal ist. Als Multiplayerspiel auf der lokalen Couch kann Tokyo 2020 seine Stärken dann komplett ausspielen und liefert einen kurzweiligen Olympia-Titel, der durch eine große Anzahl an (exotischen) Disziplinen überzeugen kann. Leider gibt es lokal nur einen Zwei-Spieler-Modus, der für einige Spieler sicher einen großen Kritikpunkt darstellt. Im Endeffekt muss man für sich entscheiden, ob einem die gebotenen Modi das bieten können, was man von solch einer Art Spiel erwartet. Meine Wertung wäre bei einem 4-Spieler-Modus sicher höher ausgefallen…

7.2

Gameplay

7.5/10

Grafik

7.5/10

Sound

6.8/10

Umfang

7.0/10

Pros

  • Viele Disziplinen
  • Kurzweiliges Gameplay
  • 60 FPS

Cons

  • Für Singleplayer unspannend
  • Dumme KI-Begleiter in Teamsportarten
  • Kein lokaler 4-Spieler Modus

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